Eine Nutte, ein toter Pfarrer und Bier im Nachbardorf
In Zeiten als Bier noch seiner stäkenden Wirkung wegen getrunken wurde gab es in Irland ein Gesetz, dass am heiligen Sonntag ab 14:00h galt. Es wurde nur dann ausgeschenkt, wenn man sich weiter als drei Meilen vom Wohnort aufhielt, nicht jedoch im heimischen Pub. Das führte dazu, dass die Männer jeden Sonntag nach der Kirche in den Pub des Nachbarortes gingen und dort tranken. Am Abend nach der Sperrstunde traf man auf halbem Weg nach Hause dann die Männer, die im eigenen Ort tranken und sich ebefalls torkelnd auf den Heimweg machten.
Irland hat sich bis heute einige dieser skurrilen Eigenschaften erhalten, die man überall entdecken kann, wenn man genau hinsieht. Es gibt einen Präsidentschaftskandidaten, der trotz aller Kinderpornographie-Skandale, die auch hier vor allem die Kirchenoberhäupter in die Enge treibt, dieses Gebaren offen verteidigt; schließlich haben sich auch Platon & Sokrates mit Jünglingen vergnügt. Aha. Das Land selber besteht aus Wiesen, wie wir sie nur Kinderbüchern kennen: Blühender Klee, hochgeschossene Schafgarbe, Kamillenblüten wie auf Teepackungen, satt leuchtende Butterblumen und natürlich dickes grünes Gras stehen am Rande von Geröllwüsten in deren Umgebung man keinerlei Leben vermuten würde – eher eine Mondfähre sucht. Beim Essen ist das nicht anders. Morgens wird einem ein Full Irish aufgetischt, was aus fettiger Wurst mit pappiger Kruste, halbkrossem Schinken und labberigem Toast besteht. Der Tee hingegen ist bisher ausnahmslos von großartiger Qualität gewesen.
Anderenorts bekommt man geräucherten Lachs der seines gleichen sucht, wobei der Salat daneben pappig ist und mit sorgfältigem Fertigdressing getränkt wird.
Austern hingegen habe ich noch nie so gut gessen wie hier. Dick, frisch, unaufgeregt. Mit Zitrone, Meerwasser und schwarzem Bier dazu.
Aus purem Zufall bin ich in Clarinsbridge in Paddy Burks Pub gelandet – Ausrichter des alljährlichen drei Tage andauernden Oyster-Festivals südlich von Galway. Sogar die von mir so ungeliebten überbackenen Tiere schmecken hier nicht nach Panade, sondern nach Auster mit passendem Überzug: Brösel, Knoblauch, Dill, Petersilie.
Ein Justizfall, den Heinrich Böll in seinem „Irischen Tagebuch“ beschreibt, unterstreicht das Absurde Irlands: Eine Prostituierte hat einen Pfarrer erstochen, weil er Ihr die Beichte veweigerte. Auf die Frage des Richters warum sie das getan hat, antwortet sie mit verdrehten Augen: „Sollte ich denn mit all meinen Sünden bedeckt sterben? Da war eine weitere auch nicht schlimm.“ Ich gewöhne mich dran und nach spätestens dem zweiten Pint wird all das Skurrile und Absurde dieses Landes von lachender Normalität überspült.
Patrick Istgrünund Fliegtüberpolen
Du machst mir echt Lust! Ich muss da wieder hin. War anscheinend doch zu jung damals. Und dann wieder ab auf den Shannon! Juhuu!
Paul Fritze
Fahr hin. Es ist großartig!