50 Klassiker: Rindercarpaccio
Zum Endes vergangen Jahres habe ich angekündigt mich für ein Jahr in die Kochlehre zu begeben und alle Rezepte aus dem Buch Wie die Helene zur Birne kam nach zu kochen. Klassiker sind für mich häufig unbekanntes Terrain und ich habe da deutlichen Nachholbedarf. Für den Einstieg brauchte ich etwas, das zum einen zu diesem Wochenende passte und mir zum anderen einen leichten Einstieg in das Projekt gibt. Zum Wochenende passt Italien, da Freunde, mit denen wir vergangenes Jahr eine Woche in der Toskana verbrachten kamen, um die letzten beiden Pullen, die wir von dort mitgebracht hatten, mit uns leeren wollten.
Der Pagliatura ist ein Vermentino aus dem Jahr 2011, der Perenzo kommt aus dem gleichen Jahr und ein reinrassiger Syrah. Beide von dem wunderschönen Weingut Fattoria di Magliano in der Maremma.
Rindercarpaccio also. Das Gericht stammt laut James Winter aus Venedig, genauer aus Harrys Bar. Dort servierte Besitzer und Koch Giuseppe Cippriani der Contessa Amalia Nani Mocenigo zu Beginn der 1950er Jahre zum ersten Mal ein Rindercarpaccio. Sie mochte kein rotes Fleisch, weil Sie es als zäh und schlecht verdaulich empfand. Cippriani schnitt es dünn, klopfte es noch dünner und damit jeden Anflug von Zähigkeit raus aus dem Vieh. Er servierte mit einem kräftigen gut dosierten Senfdressing. Das Rindercarpaccio war geboren und wurde auf Grund der illustren Gäste aus aller Welt in selbige getragen.
Eine weitere Wissenslücke schloss sich für mich: Carpaccio ist der Nachname des Künstlers Vittore, der gern in rot-tönen malte und Cippriani deswegen diesen Namen für den Teller wählte. Es ist kein italienisches Wort für: dünn geschnitten. So etwas hatte ich immer vermutet, weil ja heute auch drei dünn geschnittene Radieschenscheiben gerne Carpaccio genannt werden.
Zum Rezept.
Wenn man das Gericht als Vorspeise für 4 Personen machen möchte braucht man rund 500 gr Rinderfilet, Salz, Pfeffer, einen Rosmarinzweig, ein bisschen grob gehobelten Parmesan und ein paar schöne grüne Blätter. (Im Buch steht Babyspinat, ich hab ein paar sehr junge Mangoldblätter aus einer Salatmischung genommen…). Dressing: 4 EL Olivenöl, 2 Eigelb, 1 EL Dijonsenf.
Das Fleisch wird im gehackten Rosmarin, Salz und Pfeffer gründlich gewendet und sehr kurz von allen Seiten angebraten. Kurz abkühlen lassen und in Folie eine halbe Stunde ins Gefrierfach damit. Da friert das Fleisch nicht, sondern zieht sich nur ein bisschen fest und lässt sich dann wirklich besser schneiden. Ich dachte das wäre ein Mythos. Geht aber tatsächlich einfacher.
Man schneidet das Fleisch in dünne Scheiben und drückt es dann vorsichtig, aber mit Kraft mit der breiten Klinge flach. Das geht gut, wenn man die breite Fläche der Klinge von innen nach außen zieht. Das Fleisch kann man einfach tagsüber auf einem Teller ausbreiten und mit Folie abgedeckt im Kühlschrank stehen lassen, bevor man es am Abend schnell fertig anrichtet. Die Zutaten des Dressings zusammenrühren und sobald diese sämig wird das Fleisch damit gut beträufeln. Man soll laut Rezept Salz und Pfeffer zum abschmecken in die Soße tun. Ich habe komplett drauf verzichtet. Ich empfand die Kombination aus Senf, Öl und Eigelb exakt richtig und habe dann angerichtet.
Ich wollte das Carpaccio auf der Servierplatte nicht in Dressing ertränken, wobei man davon reichlich auf das Fleisch träufeln kann. Wir haben das jeder nach eigenem Gusto auf unseren Tellern getan.
Ein wunderbares Gericht, was man viel öfter essen sollte. Besser noch: Selber machen sollte, damit man sich der Herkunft und der Qualität des Fleisches wirklich sicher ist. Schwer ist es nicht und trotz der Aufgabe des dünn Schneidens unbedingt auch für Anfänger geeignet.
Kurz zurück zum Wein. Das Internet sagt, nicht sei besser als ein fruchtiger Rotwein, ein Syrah, ein Chianti. Treffer: Wir hatten ja den Perenzo. Ich wollte trotzdem auch den Vermentino dazu probieren. Eine nicht ganz blöde Entscheidung, denn die FruchtBOMBE, die der Perenzo ist, tötet den Fleischgeschmack komplett. Der Wein ist hervorragend – die ganze Palette der dunkelroten Früchte ist fast einzeln am Gaumen erkennbar. Der Wein ist ausbalanciert und die Eichenfässer, in denen der Syrah ausgebaut wird ist angenehm erkennbar. Aber er passt ggf. doch besser zu Wild, geschmortem Wildschwein und anderen kräftigen Aromen. Polenta, am besten mit reichlich Parmesan drin und dann gebraten, damit Fett und Röstung eine Chance hat mit dem Wein zu wirken. Perenzo ist entweder ein übermächtiger Gegner, ein herrlicher Alleingänger (NACH dem Essen), oder eben der Wein, der halt nicht zum Spielen dazu kommt. Der Arbeitet. Hart und ausdauernd. Ich suche nach einem Gericht.
Der Vermentino hingegen war zum Carpaccio der Gewinner. Den ganzen Kräutergarten der Maremma im Gaumen, Blüten und sehr reife Birnen in der Nase, zurückhaltende kühle Säure, die dem Wein sein „Fett“ genommen hat. Perfekt. Der Wein hat nach jedem Happen den Mund gespült, ohne die Geschmäcker des Gerichts zu vernichten. Im Gegenteil. Das war ein Glücksfall von Kombination. Trinkt Vermentino zu Carpaccio.
Ich schreibe in 2014 vermutlich jede Woche ein Rezept auf, welches ich aus dem Kochbuch „Wie die Helene zur Birne“ kam. Die ganze Reihe findet sich hier: 50 Klassiker auf Einfach Lecker Essen.