Unerfüllte Erwartungen im Eleven Madison Park
Und irgendwann sagte die Liebste: „Ich lese viel und ich darf doch auch das Buch eines Nobelpreisträgers kritisieren.“ Der Satz folgte auf die Aussage hin, dass ich nicht sicher in, ob ich über das Eleven Madison Park (EMP) schreiben sollte, was ich wirklich dachte. Ich war enttäuscht. Ich hatte nicht das bekommen, was ich erwartet habe und ich will das immer noch nicht so ganz wahrhaben. Aber sie hat Recht. Natürlich darf ich Kritik am EMP üben, wenn ich glaube für mein Geld nicht den entsprechenden Wert bekommen zu haben. Wenn man das Buch eines Nobelpreisträgers liest, dann darf man auch kritisieren was man daran nicht mag. Man ist ja schließlich Leser und ein gutes Buch besteht aus mehr als nur einer Geschichte. Ein gutes Abendessen auch. Da müssen viele Komponenten zusammenkommen. An erster Stelle steht allerdings das Essen. Begleitung, Uhrzeit, Gemütslage, Service und die vielen anderen Kleinigkeiten kommen danach. Aber fangen wir mit denen an:
Ich probierte seit ca. 3 Jahren immer mal wieder einen Tisch im EMP zu bekommen. Sterne, Hauben, Besuche von Fachbloggern und Listenplätze bewerten das Restaurant des Schweizer Kochs Daniel Humm als eines der besten der Welt. Funktioniert hat es dieses mal mit der Reservierung und wie es der Zufall wollte, waren zu der Zeit wo ich in der Stadt war auch Björn und Paul mit dabei. Die Crew des RollinRestaurant geht ins EMP – das wird ein super Abend. Er sollte um 22:00 Uhr beginnen, denn vorher war kein Platz. Uns war das völlig egal, wir spülten die Müdigkeit vorher um die Ecke mit einem IPA runter und standen bereits eine Viertelstunde vor der Reservierung neugierig und aufgeregt vor der Tür am Madison Square Park.
„Are you joining us for Dinner tonight, Gentlemen?“
„Yes, we love to…“
Über eine kurze Wartezeit an der Bar wurden wir zu unserem Tisch geleitet. Der Head Maitre Justin, der mir schon vor unserem Besuch die ein oder andere Email geschrieben und mich bat ihn wissen zu lassen, wie das EMP unseren Aufenthalt zu etwas ganz besonderem machen könnte, geleitete uns an unseren Tisch, begrüßte uns mit Handschlag und freute sich, dass er uns als sein Gäste begrüßen durfte. Ihm sei es immer eine Ehre, wenn Gäste so weit anreisen. Alles richtig gemacht. Alles wunderbar. Der Vorhang war aufgegangen, der Direktor hat uns begrüßt, wir warten auf die erste Darbietung.
Wir entscheiden uns alle drei für die Weinbegleitung. Da wird bei 3 Sternen bestimmt ordentlich aufgefahren und mit dem Pairing haben die sich auch bestimmt unglaubich viele Gedanken gemacht, so unsere Erwartungen dazu…
Wir bekommen das Amuse: Black-And-White-Cookies in einer kleinen weißen Pappschachtel. Liebevoll mit einer Schleife verschlossen. In den Cookies befand sich eine salzige Füllung aus Cheddar und Apfel. Es folgen eine Auster mit Vichysoisse und Kaviar, danach eine Jakobsmuschel angerichtet unter einem Schnee aus Meerrettich, Apfel und Wasserkastanie.
Versteht mich nicht falsch, das hat alles sehr gut geschmeckt und der Schnee auf der Jakobsmuschel wahr unglaublich gut. Aber ich habe mehr erwartet, viel mehr. Wenn es Klassiker gibt, die spannend interpretiert werden, dann lasse ich mich drauf ein, aber das hat nicht gereicht. Ich will Geschmack, Aromenkombinationen, die ich nicht kenne und bei jedem einzelnen Teller überrascht werden. Feuerwerk. Knall. Zong. Peng. Den Anspruch erlaube ich ich mir an ein Restaurant mit 3 Sternen, welches mir am Ende ein paar hundert Euro pro Person abnimmt.
Es folgt mein erster Lieblingsgang: Ein Tartar mit Kaviar und geräuchertem Knochenmark. Serviert in einem hohlen schneeweißen Knochen. Knall. Zong. Peng. Da ist sie die Aromenexplosion. Das ist es. Mehr davon. Lasst das Feuerwerk beginnen.
Dann Pastrami mit eingelegten Gurken, Senf und Apfel. Finde ich super. Auf der Strasse, in einem schönen Restaurant. In einem sehr guten Restaurant. In einem Sandwich. Zu Hause. Aber nicht hier. Hier empfinde ich das als zu wenig. Viel zu wenig.
Weiter geht es mit Foie Gras. nichts auszusetzen an der Umsetzung, handwerklich perfekt. Dazu gibt es Haselnuss und Topinambur. Schöne Idee. Nicht überraschend, nicht neu. Schade.
Wir werden nach diesem Gang in die Küche gebeten, denn ich habe Justin vorab geschrieben, das die Krönung eines Besuches für uns drei ein Blick in die Küche wäre. Daraus wird nur zur Hälfte etwas, denn wir werden nicht nur in die Küche gebeten, sondern uns wird dort auch von einem sehr netten Pâtissier unter Einsatz von flüssigem Stickstoff ein Cocktail gemacht, während uns Dmitri Magi, der Executive Sous Chef, locker ein paar Fragen beantwortet.
Das hat Spaß gemacht, der Drink (Widows Kiss?) wahr nicht nur schick anzusehen, sondern die richtige Unterbrechung im Menu. Das war weit mehr als wir erwartet haben und so werden wir mit reichlich Ehrfurcht im Herzen zurück an unseren Tisch geführt.
Zu unserem Tisch wird ein Wagen gerollt. Das Kochbuch des Waldorf Astoria liegt darauf und wird uns auf den Tisch gelegt und eine Waldorfsalat zubereitet. Ja, wir bekommen jetzt einen Waldorfsalat. Kein Pointe. Finde ich super. Auf der Strasse, in einem schönen Restaurant. In einem sehr guten Restaurant. In einem Sandwich. Zu Hause. Aber nicht hier. Hier empfinde ich das als zu wenig. Viel zu wenig.
Es folgt ein zweiter Lieblingsgang aus Hummer, Seeigel, Grünkohl und Birne. In zwei unterschiedlichen Variationen nacheinander. Knall. Zong. Peng. Da ist sie die Aromenexplosion. Das ist es. Mehr davon. Kommt das Feuerwerk doch noch?
Sellerie mit schwarzen Trüffeln. Schweinebauch mit Kohl und Mandeln. Alles super gewürzt. Ganz hübsch angerichtet. Aber vom Hocker hat mich davon nichts gehauen.
Zu unserem Tisch wird ein Picknickkorb gebracht. „Help yourself. All you need is in here. Enjoy.“ Wir packen aus und finden eine fluffige Laugenstange, ein Chutney, ein frisches Pale Ale, einen Cheddar, ein paar Teller und Gläser. Finde ich super. Auf dem Berg, in einem Biergarten. In einem Wirtshaus. Zu einem Salat. Zu Hause. Aber nicht hier. Hier empfinde ich das als zu wenig. Viel zu wenig. Ich bin an dem Punkt, wo ich wirklich nicht weiß was das soll. Eine Pause im Menu, die Vorbereitung auf den sensationelle Dessertsalven? Ich harre der Dinge und trinke Bier und Wein in größeren Schlucken.
Das erste Dessert kommt und ich habe meinen dritten Lieblingsgang: Süßkartoffelcreme, Orangensorbet und ein Espresso-Baiser mit Topfen. Zum dritten mal am heutigen Abend erlebe ich was es bedeutet, wenn Aromen perfekt aufeinander aufbauen, sich nach und nach im Gaumen entwickeln und man noch während man den zweiten Löffel zum Mund führt vom ersten genießt. Großes kulinarisches Kino. Das habe ich ob der Vorschusslorbeeren in jedem einzelnen Gang erwartet. Nicht weniger.
Zum Abschuss werden uns mit Schokolade überzogene Brezeln gereicht auf denen Meersalz lauert. Dazu wird ein Apfelbrand gereicht. Ich fühle mich veräppelt.
Und es hört auf wie es angefangen hat: Black-And-White-Cookies. Dieses mal mit einer Zimtcreme.
Ich habe keinen der Weine erwähnt, weil mir keiner in Erinnerung geblieben ist und mich aus dem Unterbewusstsein anschreit: „Such mich im Internet, man kann mich kaufen…“ Ich will nicht. Der Weinservice war sehr charmant, aber genauso uninformativ. Bei den ersten drei Gläsern habe ich nachgefragt, warum diese Flasche zu diesem Gang und bekam Erklärungen. Dann fragte ich nicht mehr und bekam nur das Etikett vorgelesen. Ich hatte erwartet das verstanden war, das ich mehr wollte.
Vielleicht verstehe ich 3 Sterne Küche nicht, vielleicht waren meine Erwartungen viel zu hoch, vielleicht verstehe ich auch nicht ob mir das Menu etwas sagen wollte. Ich verstehe allerdings, dass mein Abend nicht perfekt war. Trotz überragender Begleitung, den besten Vorzeichen, einem unerreichten Rhythmus des Services und einer hervorragenden Inszenierung eines 3 1/2 stündigen 14-Gängers. Im Menu selber fehlte meines Erachtens die Konstanz an einer Portion Mut Dinge anders zu machen. Zu viele Klassiker – zu konventionell aufbereitet. Zu viele Gags, die zwar allesamt gut sind und uns schmunzeln ließen, aber eben nicht 3 Sternen entsprechen.
[Fotos gibt es leider keine mehr. Meine Kamera aka iPhone landete am Wochenende versehentlich in der Waschmaschine und hat den Kochwaschgang nicht überlebt.]
Bettschen
Ich finde es interessant, dass die Definition von 3 Sterne Küche sich auf ein Knall. Zong. Peng Erlebnis beziehen soll…. viele Grüsse