Das Aska in New York
Nach der Arbeit ein schnelles Bier in der Bar vor dem Büro, den einen Kollegen zum Flughafen verabschiedet, den anderen beiden unsere Laptops in die Hand gedrückt, machen Paul und ich uns auf den Weg von Newark über die Penn Station in Manhattan in die F-Line Richtung Brooklyn.
Wir waren spät dran für unsere Reservierung im Aska, einem ehemaligen PopUp-Restaurant, was im vergangen Jahr um das Küchenteam von Fredrik Berselius einen Stern im Guide Michelin bekommen hat. Björn hatte es uns empfohlen. Er war letztes Jahr schon hier und begeistert.
Wir steigen viel zu früh aus. New York und seine Entfernungen. Berlin ist ein Dorf gegen diese Stadt. Alle Städte in denen ich bisher war sind ein Dorf gegen New York. Rein ins Taxi. Über die Williamsburg-Brücke und noch 10 Minuten Fahrt. Gegenüber der Brooklyn Brewery sind ein Hotel und so etwas das aussieht wie ein Cafe. Wir suchen nach einem Schild. Wir sind schon 10 Minuten zu spät. Es macht sich preussischer Pünktlichkeitsfanatismus in uns breit. Wir schauen genauer. Das was aussieht wie ein Cafe, sind die Kinfolk-Studios und diese beherbergen die knapp 20 Plätze des Aska im hinteren Teil des Gastraumes.
Gut versteckt hinter einer langen Bar für ausreichend viele Menschen mit Vollbart und karierten Hemden. Die sehen alle sehr entspannt aus. Eine dänische Barkeeperin begrüßt uns und hängt die Jacken in einen Schrank. Am Tisch werden wir von Doreen Winkler begrüßt. Die deutsche Sommeliere lebt seit vielen Jahren in New York. Ich habe Sie das erste mal bei Hendrik Thoma gesehen. Ich mochte was sie da über Wein gesagt hat und wir vertrauen uns Ihrer Weinempfehlungen an.
Doreen hat hörbare Probleme mit Ihrer Muttersprache, bemüht sich aber sehr charmant und taucht hin und wieder während des Menus mit dem iPad am Tisch auf und zeigt uns fast aufgeregt was die deutschen Übersetzungen der Aromen sind, die sie auf deutsch nicht mehr kennt. Wunderbarer Service. Man fühlt sich hier schnell zu Hause, so schnell, dass man eigentlich nicht wieder gehen möchte. Warum auch.
Das Menu startet mit ein paar schmackigen Amuse. Hering, Blut-Kroketten, Brot mit Kümmel und Fenchelsamen. Alles sehr aromatisch. Geht gut los hier. Wir hatten ja keine Ahnung…
Der erste Gang: Drei ausgelöste Austern, ein cremiges Schwarzwurzelpüree, getrocknete Schwarzwurzel und ein herrlich salziger Austernfond der in der MItte des Tellers fröhlich vor sich hin schwappt. Löffel rein. Löffeln in den Mund. RUMMS! Die beste Austernkombination die ich kenne.
Der intensive Schwarzwurzelgeschmack wird von der Auster perfekt gesalzen. Dazu bekommen wir einen Cremant und endlich wird mir klar, warum Perlendes zu Austern gereicht wird. Nur verstehe ich nicht, warum ich bisher niemals eine cremige Verbindung dabei war. Das Püree ist sowas von notwendig, weil sich Auster und Cremant ansonsten verhalten wie Öl und Essig ohne Senf. Sieht schickt aus, kommt aber nicht zusammen. Ich empfehle weiterhin zu Austern Guinnes zu trinken. Oder eben bei Champagnerlaune ein leichtes Püree dazu zu geben. Cremant: Bornard Cremant du Jura blanc.
Weiter geht es mit gerösteten Kartoffeln, in Wacholder gebeiztem Fleisch, hauchdünn aufgeschnitten, was glaube ich auch leicht geräuchert war und dann wieder so eine Sache dazu, die den Teller geschmacklich perfekt gemacht hat: Einen Sud aus Molke. RUMMS! Kartoffeln, Fleisch und Milch. Klingt nicht spannend, schmeckt göttlich. Wird so lange nachgekocht, bis ich es so schaffe.
Auch hier darf man die Weinbegleitung nicht zu kurz kommen lassen. Ein Riesling aus 2012. Bassermann Jordan aus der Pfalz. Der verbrüdert sich mit dem Molkesud und die zwei vergnügen sich mit dem salzigen Fleisch, spülen den Wacholder locker zur Seite und freuen sich auf die Kartoffeln. Ich könnte jetzt bereits anfangen in die Küche zu rufen, ich brauche nicht mehr Gänge, sondern nehme noch 3x von jedem der beiden ersten und wäre ein sehr glücklicher Mensch. Paul, der dauergrinsend neben mir sitzt, denkt ähnliches und wir freuen uns wie die Lümmel von der letzten Bank, das wir hier sind.
Pfifferlinge, Topinambur und Fond. Dazu, anstatt eines Weines, eine Art Negroni, bestehend aus einem Brookly Gin, Carpano Antica und Meletti. Teller und Getränk schon jeweils allein ein Gedicht, aber zusammen: RUMMS! Da passt alles. Die Pilze sind teils getrocknet, teils eingelegt. Der Topinambur kommt als Püree und hauchdünn aufgeschnitten, im Fond sind Pilze und Topinambur auf Ihren ureigenen Geschmack reduziert. Der Wacholder aus dem Gin nimmt die erdigen Aromen aus dem Gericht und gibt der ganzen die notwendige bittere Leichtigkeit. Essen, trinken, essen trinken, essen, trinken… Ein sensationelles Zusammenspiel.
Wir stellen fest, das wir den ganzen Abend quatschen, aber über nichts anderes als das essen. Wir werfen mit Superlativen um uns und vermuten beide es könnte das perfekte Menu werden.
Die Jakobsmuscheln werden gebracht. Dünn aufgeschnitten auf Lauchstücken in einem Fond würzigen Fond. Darin finden wir Püree aus verbranntem Lauch und sind wieder mal seelig ob der Aromenkombination. Oder wie man hier schon öfter las: RUMMS! Dazu ein kräftiger Weißer aus Sizilien. Lucido Cataratto aus dem Jahr 2012. Der legt sich im Gaumen ordentlich mit der Jakobsmuschel an. Eine Schöne Idee, weil daraus eine rangelnde Dreierbande mit dem verbrannten Lauchpüree wird, die sich gleichermaßen in den Vordergrund drängeln will, aber zum Glück des Essenden keiner gewinnt. Die sind nämlich nur gemeinsam stark.
Auf zum Fleisch. Es gibt geschmorten Ochsenschwanz und man wird nicht enttäuscht. Der fällt einem schon auf der Gabel auseinander, wie es sein soll. Dazu gibt es grobe Stücke Sellerie. bissfest gegart, wenig gesalzen. Auch gut. Außerdem ein paar dünn aufgeschnittene Selleriescheiben, damit es was Knackiges gibt. Nettes Gericht… Wenn es nicht sensationell gewesen wäre, weil wieder mal zwei Dinge passten:
1. Die Küche würzt zurückhaltend mit Kamille (hust… RUMMS!), sowohl den Sellerie als auch die Soße. Undenkbare Kombination, als ich es hörte. Unendlich dankbar, dass ich das essen durfte.
2. Doreen brachte uns dazu einen jungen Beaujolais: Clos de la Roilette Fleurie. Starke Frucht und trotzdem ein ganz feiner Wein. Nicht marmeladig, sondern zurückhaltend. Gerade so wie es die kräftigen Aromen des Tellers brauchten.
Bevor das Dessert serviert wurde gab es noch schnell ein bisschen Seehecht mit Hafer, Kohl, Dill und Rapsöl. Der salzige Fisch hatte einen riesigen Spaß mit dem erdigen Kohl, das Rapsöl verband die beiden zu einem schönen Gericht, der Dill auf dem Kohl machte daraus wieder einmal ein deutlich hörbares: RUMMS! Dazu gab es einen dieser orangenen Weine. Ein 2008er aus Kroatien, der nach des Winzers Frau benannt ist: „Ines in White“. Fünf Trauben zu einer Cuvee tun sich hier zusammen. Ein ordentlich divenhafter Wein, dem man nur langsam nahe kommt, der aber mit dem Hecht und dem Öl auf dem Teller hervorragend harmoniert.
Das Pre-Dessert besteht aus Kardamomcreme mit Apfelscheiben und einem Kardamomsud. Das schmeckt, als beiße man in die puren Kardomomsamen rein, die zum einen so zu der Creme und zum anderen als Sud verabreicht werden. Nicht aufdringlich, nicht zu süß, nicht zu gefällig. Der Apfel frischt den Teller auf. Richtig Lecker sind hier die richtigen Worte.
Zum Abschluss gibt es Milcheis in einem Fichten-Blaubeersud. Dazu einen Muskateller Schaumwein Jaillance Clairette. Zum Ende des Menus also das gleiche Spiel wie anfangs bei der Auster: Erst durch die Blaubeeren wird der Fichtensud spannend, weil er süße bekommt und erst dadurch können die Perlen des Muskateller glänzen.
Jeder Teller war hier durchdacht. Alles hat außergewöhnlich geschmeckt. Alle Teller wurden durch Ihre Getränkebegleitung vollständig. Das war ein unglaubliches Menu. Das beste Menu was ich bisher gegessen habe.
Aktuell kostet der 7-Gänger 79 Dollar, dazu die Weine 49 Dollar. Zusammen- und umgerechnet sind das keine 95 Euro. Reserviert euch euren Tisch. Lange wird es nicht mehr dauern, bis das sehr sehr schwer wird. Denn wenn es einen Ort gibt, an dem sich so ein Laden noch schneller herumspricht als auf dem Dorf, dann in New York.