Die Honigmacher: Pendlerpauschale für Berliner Bienen

Als Kind habe ich Honig geliebt. Der gold-gelbe dicke Saft wurde reichlich auf getoastetes Graubrot gestrichen, darunter war zu harte Butter aus dem Kühlschrank, mit der man ungelenk Löcher in die Brotscheiben riss, wenn man versuchte sie zu verteilen. Der Honig floss also nicht nur nur über die Brotränder auf die Finger, sondern auch durch die Butterlöcher in die Handflächen, so dass man noch einige Zeit nach dem kindlichen herunterschlingen des Brotes Honig von der Hand schlecken konnte.

Honig_berlin

Irgendwie hat sich Honig dann mit den Jahren aus meinen Frühstücksfavoriten verabschiedet und ich nutze ihn fast nur noch beim Kochen: für Saucen, zum Glasieren, für Suppen und zum Karamelisieren. Als Zusatz zu Nachspeisen, zum Beispiel in Kombination mit dickem griechischem Joghurt, ein paar Früchten und gerösteten Nüssen oder Mandeln. Hervorragend schmeckt auch Kastanienhonig auf steinaltem Pecorino. Eine wunderbare Nachspeise der Nachspeise, wenn man nach dem Essen doch noch ein bisschen länger mit Freunden sitzen bleibt und die ein oder andere Flasche Wein den Mitternachtshunger auslöst.
Vor einigen Wochen hat mir eine Freundin Berliner Honig in die Hand gedrückt. Ein kleines Glas was in mir beim ersten Probieren sofort Kindheitserinnerungen wach gerufen hat. Kein sortenreiner Honig, sondern ein sehr vielseitiger Saft, in dem man bei jedem Löffel wieder ein paar neue Geschmäcker entdeckt. Die Bienen fliegen von den Kästen der Imker in Berlin alle Blüten an, die sie finden können, dazu gehören hauptsächlich Obstblüten von Apfel- und Birnbäumen, sowie Johannisbeersträucher und Stachelbeeren. Diese Blüten sind nur für sehr kurze Zeit geöffnet, weswegen wohl auch die Schadstoffbelastung sehr gering ist.

Die Strecke, die eine Biene für ein kleines Glas Honig zurücklegen muss ist schier unglaublich: Knapp 17.000 Kilometer. Das ist zum einen der halbe Weg um die Erde oder, um es ein bisschen griffiger zu zeigen, die Strecke, die ein Wochenend-Pendler zwischen Berlin und Hamburg in einem halben Jahr absolviert. Vielleicht sollten wir den Bienen das Pendeln zwischen Blüte und Wabe ein bisschen versüßen. Der Staat wird keine Pendlerpauschale an Imkerverbände zahlen, aber wenn wir darauf achten Honig aus der eigenen Umgebung zu kaufen, anstatt flotte Bienen in quetschbaren Verpackungen können wir evtl. unseren Beitrag leisten. Ich werde das wohl versuchen. Jetzt muss ich frühstücken: Ein paar Scheiben Uckermarker toasten und Berliner Honig darauf verteilen. Die Butter steht seit einer halben Stunde im Kühlschrank. Lasst es Euch schmecken!

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